Berufungshauptverhandlung endet nach über 3 Jahren mit einer Einstellung

18. September 2020

Nachdem wir gegen ein Urteil des Amtsgerichts Worms vor über 3 Jahren Berufung eingelegt haben, wurde das gegen den Angeklagten nunmehr am Landgericht Mainz geführte Strafverfahren, auf Anregung der Staatsanwaltschaft gegen Zahlung einer Geldauflage von 750 € eingestellt.

Manch einer wird sich nunmehr fragen, wie konnte es zu diesem Ende des Verfahrens kommen.

Am 05.10.2016 traf der Angeklagte in der Bar 24/7 in Worms auf den späteren Geschädigten. Man trank gemeinsam jeweils etwa 12 Bier und einige Longdrinks. Gegen 6.20 Uhr am Morgen geriet man in Streit, der noch in der Lokalität zu eskalieren drohte.

Der Angeklagte verließ die Bar auf Bitten der Kellnerin, die den Streit somit zunächst schlichtete. Aus einem nicht aufzuklärenden Grund verließ auch der spätere Geschädigte unmittelbar danach die Bar. Auf dem Bahnhofsvorplatz ging der Geschädigte auf den Angeklagten zu und es kam zur Rangelei. Der Angeklagte, der etwa 2 Köpfe kleiner als der Geschädigte ist, konnte sich aus dieser irgendwann lösen und verpasste dem Geschädigten zwei Faustschläge ins Gesicht. Nach Angaben eines Zeugen fiel der Geschädigte daraufhin wie eine Bahnschranke um und blieb regungslos liegen. Dies nutze der Angeklagte um noch zweimalig in die Magengegend auf den am Boden liegenden Geschädigten einzutreten. Der Geschädigte erlitt einen komplizierten Schlüsselbeinbruch, ein Schleudertrauma sowie ein Bruch des Wadenbeins.

Das Amtsgericht Worms verurteilte den Angeklagten zu 11 Monaten Freiheitsstrafe, welche zur Bewährung ausgesetzt werden konnte. Hieraufhin nahm der Angeklagte Kontakt zu uns auf und wir legten gegen das Urteil Berufung ein.

Nachdem der Vorsitzende im Jahr 2017 im Rahmen des ersten Berufungshauptverhandlungstages fragte, was das Ziel der Berufung sei, erklärte die Verteidigung, dass der Angeklagte offensichtlich in Notwehr gehandelt hat und durch die ungerechtfertigten Tritte keine Körperverletzung eingetreten sei. Mithin komme allenfalls eine Verurteilung wegen versuchter einfacher Körperverletzung in Betracht. Der Vorsitzende nahm dies schmunzelnd zur Kenntnis und fragte nach etwaigen Anträgen. Diesen waren vorbereitet und wurden sodann verlesen. Das Gericht war hierdurch gezwungen ein Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, ob der Geschädigte durch die Tritte weitergehende Verletzungen erlitten hat oder ob die eingetreten Körperverletzung nicht bereits durch die gerechtfertigten Schläge und den anschließenden Aufprall ausgelöst wurde.

Der Geschädigte erschien im weiteren Verlauf nicht zu den Begutachtungsterminen, weshalb das Gericht nach nunmehr 3 Jahren zur erneuten Verhandlung lud. Nach der Vernehmung diverser Zeugen konnte der Geschehensablauf, wie geschildert rekonstruiert werden, weshalb zur Überzeugung aller Beteiligten festgestellt werden konnte, dass die Schläge des Angeklagten durch Notwehr gerechtfertigt waren. Der hinzugezogene Sachverständige bestätigte anschließend die Auffassung der Verteidigung, dass die zugegebenermaßen massiven Verletzungen, maßgeblich durch die Schläge und den anschließenden Aufprall des Geschädigten auf dem Boden verursacht wurden.

Zwischenzeitlich hat die Krankenkasse des Geschädigten eine Regressklage gegen den Angeklagten erhoben und fordert von diesem nahezu 20.000€ Behandlungskosten zurück.

Angesichts der durch das Strafverfahren gewonnenen Erkenntnisse, wird auch dieses Verfahren für den Angeklagten ein erfreuliches Ende nehmen.

Der sichtlich gerührte und zugleich erleichterte Angeklagte nahm das Angebot in Form der Verfahrungseinstellung dankbar an. Somit ist ein erstes wichtiges Etappenziel erreicht, gleichwohl der bereits anberaumte weitere Zivilprozess noch aussteht.

Auch dieses Verfahren zeigt einmal mehr, dass sich die Einlegung eines Rechtsmittels gegen ein erstinstanzliches Urteil auszahlen kann.