Durch Beschluss des OLG Koblenz vom 08. März 2021 wurde das Urteil des Amtsgerichts Worms vom 03. September 2020 aufgehoben und der Betroffene wegen des Vorwurfes des Verstoßes gegen die 4. Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz (4. CoBeVO) freigesprochen.
Das Amtsgericht Worms stellte nach Zeugeneinvernahme und Einlassung des Betroffenen nachfolgenden Sachverhalt fest:
„Am 27.04.2020 ging der Betroffene mit dem befreundeten Zeugen A zu Fuß zum Sparkassenautomat in der Bahnhofstraße 66 in 67596 Dittelsheim-Heßloch, um dort Geld abzuheben. Als sie dort ankamen, wartete der Zeuge B bereits vor der Sparkasse mit seinem Mofa. In der Sparkasse hielt sich gerade eine befreundete vierte Person auf, die mit dem Zeugen B auf dessen Mofa zur Sparkasse gekommen war, um ebenfalls Geld abzuheben. Nachdem die vierte Person aus der Sparkasse gekommen war, standen die vier Personen ungefähr 1 bis 2 Minuten vor dem Sparkassenautomat im Freien im Halbkreis. Zwischen den Personen stand das Moped des Zeugen B, sodass insgesamt ein Abstand von 1,5 bis 2 Metern zwischen den Personenpaaren, dem Betroffenen und dem Zeugen A einerseits und dem Zeugen B und der vierten Person andererseits, gegeben war. Eine Verabredung zwischen den Personen hatte zuvor nicht stattgefunden. Während des gemeinsamen Zusammenseins vor der Sparkasse unterhielt sich der Betroffene mit dem Zeugen B. Der Ausgangspunkt des Gespräches zwischen den Personen war, dass der Betroffene dem Zeugen B, dessen Großmutter kurze Zeit davor verstorben war, kondolierte.
Die Bereitschaftspolizei, die zu diesem Zeitpunkt Kontrollen aufgrund Verstößen gegen die Coronabekämpfungsverordnung in Dittelsheim-Heßloch durchführte, beobachtete aus dem Streifenwagen vier vor der Sparkasse stehende Personen, hielt an und unterzog die Personen einen Personenkontrolle. Eine ldentitätsfeststellung ergab, dass alle vier Personen unterschiedlichen Haushalten angehörten.“
Das Amtsgericht Worms verurteilte den Betroffenen zu einer Geldbuße von 100,00 €. Hiergegen wandte sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde an das OLG Koblenz. Der Betroffene trug wie folgt vor:
„Er ist der Auffassung, dass die zufällige, nur kurz andauernde Begegnung mit dem Zeugen B und dessen Begleiter vor dem Sparkassenautomaten keine Ansammlung im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 1 der 4. CoBeVO und somit auch keinen verbotswidrigen Aufenthalt im öffentlichen Raum im Sinne von $ 4 Abs. 1 Satz 1 der 4. CoBeVO darstelle. Der Begriff der ,,Ansammlung“ bedürfe einer einschränkenden Auslegung, da ansonsten jede zufällige, nicht vermeidbare Begegnung mit mehreren Personen automatisch zu einem verbotswidrigen, bußgeldbewehrten Aufenthalt führen würde. Es könne nicht sein, dass sozialadäquates Verhalten auf diese Art und Weise pönalisiert werde.“
Das OLG Koblenz führt in dem vorgenannten 11-seitigen Beschluss wie folgt aus:
„Das für den öffentlichen Raum bestimmte Verbot von Ansammlungen von mehr als zwei in einem Haushaltlebenden Personen in § 4Abs. 1 Satz 1, Abs.2 Satz 1 iVm. § 15 Nr.26 der 4. CoBeVO ist sowohl formell als auch materiell rechtmäßig.“
Weitergehend führt es hinsichtlich der Auslegung des Begriffes der „Ansammlung“ aus:
„ Von einem solchen, verfassungskonform ausgelegten Ansammlungsbegriff ausgehend, ist in dem von dem Amtsgericht festgestellten Verhalten des Betroffenen noch kein Verstoß gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 der 4. CoBeVO zu sehen. Eine geplante Zusammenkunft lag dem zufälligen Zusammentreffen mit seinen Freunden bzw. Bekannten vor der Sparkasse nicht zugrunde. Selbst wenn die Verweildauer von ein bis zwei Minuten hier objektiv nicht mehr als rein flüchtige Begegnung angesehen werden kann, so ist zu Gunsten des Betroffenen doch davon auszugehen, dass seine Intention von vornherein nur auf eine kurze Kontaktaufnahme im Rahmen einer solchen ausgerichtet war, nämlich – was sozialadäquat und erwünscht ist – seinem Bekannten zum Tod einer nahen Angehörigen zu kondolieren. Dass das Gespräch hierüber hinausging und der Betroffene sich damit einverstanden gezeigt hätte, die zufällige Begegnung für ein längerfristiges Zusammensein auszunutzen, ist den Feststellungen des Amtsgerichts nicht zu entnehmen. Zwar kann ein mehrere Minuten andauerndes Gespräch ein starkes Indiz für die Intention eines Verweilens an der Örtlichkeit und damit für das Vorliegen einer bußgeldbewehrten ,,Ansammlung“ im Sinne von § 4 Abs. 2 Salz 1 der 4. CoBeVO sein, hinreichende Anhaltspunkte hierfür bestehen im vorliegenden Fall allerdings nicht.“
Dementsprechend kommt der Senat zu nachfolgendem Ausspruch:
Es kann nicht festgestellt werden, dass sich der Betroffene an einer ,,Ansammlung“ im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 der 4. CoBeVO beteiligt hat. Da er nach den Feststellungen des Amtsgerichts den gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 der 4. CoBeVO vorgeschriebenen Mindestabstand von 1,5 Metern eingehalten hat und auch kein anderer Ordnungswidrigkeitenverstoß in Betracht kommt, war er mit der Kostenfolge des § 46 Abs. 1 OW|G iVm. $ 467 Abs. 1 StPO freizusprechen.
Somit ist der Begriff der „Ansammlung“ entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Worms eng auszulegen. Andernfalls würde jedes bloß zufällige Treffen und Beisammensein von mehr als zwei Personen, welches nach dem äußeren Anschein – wenn auch nur kurzzeitig – gewollt und nicht auf einen Haushalt beschränkt war, unter den Begriff der „Ansammlung“ fallen.
Der Beschluss zum Download als PDF
OLG Koblenz, Beschluss vom 08.03.2021, Az.:3 OWi 6 SsRs 395/20