In der Unfallabwicklung kann der Geschädigte nach einem Verkehrsunfall frei wählen, ob er sich den zur Schadenbeseitigung erforderlichen Geldbetrag auszahlen lässt oder, ob er eine Reparatur seines Fahrzeuges durchführen lassen möchte. Sicherlich ist die sogenannte „fiktive Abrechnung“ auf Basis einen Sachverständigengutachtens zunächst vermeintlich attraktiv und auch lukrativ, gleichwohl ergeben sich hierdurch eine Reihe von unangenehmen Nebeneffekten, die der Geschädigte selten vor Augen haben dürfte. Als Experten raten wir daher auch weiterhin von einer fiktiven Abrechnung auf Gutachtenbasis ohne Durchführung einer sach- und fachgerechten Reparatur ab. Regelmäßig tragen Versicherer sowohl außergerichtlich, als auch gerichtlich vor, dass die durch einen spezialisierten Schadengutachter ermittelten Reparaturkosten zu hoch seien oder diese tatsächlich nicht anfallen würden, da tatsächlich keine Reparatur durchgeführt wird.
Widmet man sich dieser Argumentation der Versicherer einmal genauer, stellt man als Experte relativ schnell fest, dass dies ein klassischer Zirkelschluss darstellt, der bereits in sich fehlerhaft ist. Der Bundesgerichtshof gesteht dem Geschädigten in seiner ständigen Rechtsprechung ausdrücklich das Wahlrecht zu, gerade keine Reparatur durchführen zu lassen. Überträgt man den Gedanken der Versicherer nun insgesamt, würde man im Ergebnis einen fiktiv berechneten Schadenersatzanspruch per se verneinen müssen. Dies kann und ist jedoch nicht richtig.
Das Amtsgericht Worms hat in seinem Urteil vom 07.04.2022 (Az.: 7 C 108/21) wie folgt ausgeführt:
„Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind bei fiktiver Abrechnung allerdings grundsätzlich auch diejenigen Positionen zu erstatten, die (nur) bei einer tatsächlichen Reparatur anfallen würden, da der Geschädigte Anspruch auf denjenigen Betrag hat, der für eine ordnungsgemäße Reparatur erforderlich ist, eben unabhängig davon, ob die Reparatur tatsächlich durchgeführt wird, wenn diese Positionen typischerweise erhoben werden und ortsüblich sind (vgl. BGH NJW 2019, 852 Rdnr. 12 f.; OLG Celle RuS 2022, 111, Rdnr. 27 f., 30; OLG Düsseldorf DAR 2021, 199 Rdnr. 41, jeweils zitiert nach Juris). „
Weiter führt das Amtsgericht zu einem klassischen Streitthema weiter aus:
„Erforderlich sind allerdings UPE-Aufschläge und Verbringungskosten zum Lackierer nur dann, wenn diese typischerweise erhoben und ortsüblich sind. Dem Gericht ist aus einer Reihe anderer Verfahren, in denen Gutachten eingeholt wurden, bekannt, dass UPE-Aufschläge und Verbringungskosten im hiesigen Amtsgerichtsbezirk üblich sind. Die genannten Grundsätze gelten ebenfalls für die nur bei tatsächlicher Reparatur anfallenden Elektrikarbeiten, wie Auslesen des Fehlerspeichers und Funktionstests.“
Fazit: Die fiktive Schadenabrechnung wird am Amtsgericht Worms in den Vorgaben des Bundesgerichtshofes und den von diesem entwickelten Grundsätzen gelebt, so dass der Kläger mit den von uns gestellten (Haupt-) Anträgen letztendlich obsiegt hat.
Das geschwärzte Urteil veröffentlichen wir (gleichwohl noch nicht rechtskräftig) nachfolgend im Volltext.